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Schnucke kommt von Schnökern - Laufen auf dem Heidschnuckenweg

"Wieso heißen die in den letzten Tagen vielfach gesichteten Wolltiere eigentlich Heidschnucke?" Fragten wir uns nach einigen Tagen auf dem Heidschnuckenweg. Eine Tafel am Wacholderwald klärte uns auf: Der Name "Schnucke" kommt von "Schnökern", was in Norddeutschland soviel bedeutet, wie naschen. Die Heidschnucke liebt Abwechslung und nascht sowohl Heidekraut, als auch Gras und Wildkräuter. Das verstehen wir. Die Vielfalt des Heidschnuckenweges, von unserer Freundin Nico liebevoll "Schnucki" genannt genießen wir sehr. Deshalb lassen wir uns zu ihren liebsten Abschnitten und Plätzen entführen und erkunden weite Heideflächen, naturbelassene Wälder und pitoreske Dörfer.

Bei Pizza in einer der abgeranzten, kreativen und neu auferstandenen Ecken Hamburgs breiten wir die Karte auf. Der Plan: In den nächsten Tagen werden wir Nicos Lieblingsorte auf dem 223 Kilometer langen Heidschnuckenweg aufsuchen. Eine Reise Schritt für Schritt, die Nico ganz persönlich für uns in Worte fasst. 

Der Heidschnuckenweg - Liebe auf den zweiten Blick

Als ich den Heidschnuckenweg kennenlernte, dachte ich „Ja, auf dem Fahrrad ist das ein schöner Weg – aber zu Fuß …?“ Die vielen Abschnitte auf breiten Feldwegen oder auf Asphalt durch die Heidedörfer waren mir einfach nicht wild genug.

Durch die Covid-19 Beschränkungen kam ich dann im Frühling quasi aus Versehen dazu, den gesamten Heidschuckenweg am Stück zu laufen – in 5 Etappen mit gemütlichen Nächten auf der Ladefläche meines Kombi, den eine fabelhafte Freundin mir kontaktlos hinterher shuttelte. Bei diesem Abenteuer habe ich mich schockverliebt. Die einst ungeliebten „Wander-Autobahnen“ wurden willkommene Abwechslung – mal ehrlich, wenn ein Highlight sich an das nächste reiht, nehmen wir es dann noch als Highlight wahr?

Und von diesen Highlights soll hier die Rede sein, denn um das Himmelfahrtswochenende herum hatte ich Gelegenheit, sie mit zwei Herzensmenschen zu teilen.

Schon bei den ersten Überlegungen bin ich mächtig aufgeregt. Ich weiß genau, welche Orte mich besonders berühren. Aber kann ich erklären, warum das so ist? Kann ich diese Magie anderen Menschen vermitteln? Vermittelt sie sich von selbst? Oder stehe ich am Ende mit einem Herzensmenschen an einem Herzensort und der zuckt mit den Schultern und sagt „Also, ich hab’ gelesen, am Totengrund soll es viel beeindruckender sein?" An diesem Risiko führt im Leben aber nunmal kein Weg vorbei – dies also meine Auswahl:

Büsenbachtal, Brunsberg und Höllenschlucht

Diese Gegend ist in den letzten Jahren – ganz unabhängig vom Heidschnuckenweg – so etwas wie eine läuferische Heimat für mich geworden. Ein Gefühl, das mit Menschen zu tun hat, die ich kenne und kannte, mit Erlebnissen, mit Hügelsprints und Erschöpfung, mit Wanderungen und Picknicks. Und für den Blick vom Brunsberg in alle Richtungen lohnt sich der Aufstieg allemal … Diesen Lauf machen wir ausgerechnet am Vatertag, dementsprechend treffen wir schon ab und an kleine Gruppen von Menschen und laute Musik im Wald – und ihre Hinterlassenschaften. Wir sammeln auf, was wir finden und an einer Stelle tun wir uns schwer, eine Chips-Rolle im kleinen Laufrucksack zu verstauen. Da kommt ein junges Wanderer-Paar auf uns zu und bietet an, uns den Müll abzunehmen und zum nächsten Abfalleinmer mitzunehmen. Für mich eine Begegnung der besonderen Art und ein Zeichen der Hoffnung, dass die, die sich kümmern und Verantwortung übernehmen, vielleicht doch in der Überzahl sind. Oder eines Tages sein werden.

 

An der Seeve entlang

Vom Büsenbachtal erreicht man durch schmale Waldwege mit herrlich weichem Untergrund das Dorf Handeloh – und dort läuft man eine ganze Weile auf Asphalt. Ich habe den Eindruck, dass meine Mit-Läufer langsam ungehalten werden und mein „gleich, gleich wird es richtig schööööön!“ kann ich schnell selbst nicht mehr hören. Als wir die Seeve endlich erreichen, sind wir still und jeder für sich genießt den schmalen, verwurzelten Weg, das frische Grün und das leise Plätschern neben uns. An einer Stelle klettern wir zum Bach hinunter, balancieren über Baumstämme und halten die Hände ins kühle Wasser. Das sind Momente, für die ich laufe, für die sich jede Strecke lohnt. Apropos jede Strecke: unsere wird dann immer länger, denn wir passen kurz nicht auf, verpassen einen Abbieger und treffen dann die falsche Entscheidung, nicht umzukehren. Kurz: Wir laufen im Kreis. Solche Missgeschicke bringen mich grundsätzlich nicht aus der Fassung. In diesem Fall hat es den schönen Nebeneffekt, dass wir noch einmal an der Seeve entlang laufen können. Und damit wir das nicht zweimal auf derselben Strecke tun, legen wir eine spektakuläre Flussquerung hin und laufen am Nordufer – und das ist fast noch schöner.

Wilseder Berg und Totengrund

Diese beiden Schöpfungen der Natur gehören zu den anerkannten Sehenswürdigkeiten am Heidschnuckenweg. Mich berühren sie nicht so sehr wie andere, kleinere, weniger bekannte Highlights. Warum das so ist, kann ich nicht recht erklären. Vielleicht liegt es nur daran, dass ich sie mir jedes Jahr im Rahmen des Heide-Ultra-Trails erlaufe und dadurch nicht nur mit Naturerlebnis, sondern auch mit Wettkampf und Anstrengung in Verbindung bringe. Trotzdem sind sie unbedingt sehenswert und so schicke ich die Jungs mit den Rädern dahin und mache selbst eine ähnliche Tour – mit Kuchenstop am Hotel Hof Tütsberg und einem gewaltigen Gewitter auf dem Rückweg. Ein Natur-Ereignis der ganz eigenen Art.

Behringen, Brunausee und Borsteler Schweiz

Meine Faszination für das kleine Örtchen Behringen kann ich mir im Grunde selbst nicht erklären. Es gibt keine beeindruckende Kirche (wie zum Beispiel in Undeloh), keine Einkaufsmöglichkeiten wie in den größeren Orten und kein Tortencafé (wie zum Beispiel im Büsenbachtal). Und trotzdem … dieser kleine versteckte Park hinter den Wohnhäusern, die Boules-Bahn, der kleine Waldweg, auf dem man ins Dorf hineinläuft, der hübsche kleine Brunausee gleicht dahinter, die Autobahnraststätte, die man von hinten anlaufen kann … Ich liebe diese kleine Ecke der Welt. Kann aber niemanden so recht davon überzeugen. Und so treffe ich meine Herzensmenschen erst wieder in der Borsteler Schweiz, einer Art kleiner Variante des Totengrunds: ein Krater in der Heide, bewachsen von Wachholderbüschen in allen Größen und Formen, auf dem Kraterrand in ca. 2 km zu umlaufen. Als wir uns hier wiedertreffen, bin ich so sehr in Rennlaune wie die Natur in Regenlaune ist. Carsten begleitet mich auf einer wunderbaren Regenrunde und als wir danach Laura, Marla und Paula wiedertreffen, kommt die Sonne heraus und die Landschaft glitzert und funkelt wie mit abertausenden Diamanten behangen. Ein magischer Moment an einem magischen Ort.

Spitzbubenweg und Pietzmoor

Der Spitzbubenweg ist Teil einer Heidschnuckenweg-Variante von Niederhaverbeck nach Behringen – ein fast 2 km langer, butterweicher Singletrail mitten durch den Wald. Man kann nicht anders, als dieses Stück zu lieben. Aus purem Übermut werde ich in seinem Verlauf immer schneller. Und auch dieses Mal muss ich vom seinem Ende bis zum Sylvestersee ein bis zwei Gänge runterschalten und hätte gut am Ufer sitzenbleiben und ein kleines Picknick einnehmen können. Kurz danach ist unsere Runde dann eh zu Ende und wir kehren zum Torteessen in einen typischen Heide-Gasthof ein.

Das Pietzmoor beginnt gleich hinter dem Gasthof und ist eigentlich nicht Teil des Heidschnuckenwegs, liegt aber direkt an seinem Rand, nur eben über die Straße. Hier geht man auf Holzplanken kilometerweit durch eine einzigartige Moorlandschaft, voller skurriler Bäume und funkelnd glatter Wasserflächen. Da man auf den Planken nicht ausreichend Abstand zu anderen Wanderern halten kann, ist der Plankenweg bis auf weiteres gesperrt. Für mich völlig unverständlich, denn in den wenigen Momenten, in denen man wirklich andere Menschen trifft, kann man ja den Mund-Nasen-Schutz tragen … Aber wir drehen brav wieder um – und nehmen uns das Pietzmoor fürs nächste Mal vor.

Müden, Örtze und Wachholderwald

Müden ist ein hübscher kleiner Ort mit einer alten Mühle, einer großen Schaukel davor, einer Tourist-Information darin, einem großen Teich und einem zauberhaft wilden Bach, der hindurchfließt, der Örtze. Hier gibt es einen Fluss-Wald-Erlebnispfad, von dem ein Teil zum Heidschnuckenweg gehört. Heute laufen wir den gesamten „Großen Flusspfad“, laut Karte 7,5 km, nach unseren Uhren aber doch 9 km lang – Carsten die ganze Zeit heldenhaft mit der gewaltig schweren Videokamera. Ich kann nicht fassen, wie man mit diesem schweren Ding überhaupt laufen kann. Wahnsinn. Und so bekomme ich heute ein ganz persönliches Highlight von einem Highlight – ein Video von einem der schönsten Teile des Heidschnuckenwegs. Das einzige, das fehlt, sind die Eisvögel, die es hier angeblich gibt. Aber wenn wir auch keine sehen, können wir doch welche hören.

Das wäre ein schönes Ende gewesen. Da aber ein anderes Highlight, der Wachholderwald, ganz in der Nähe liegt, machen wir dort alle zusammen noch einen Spaziergang. Leider bin ich nur mäßig vorbereitet und weiß nicht genau, auf welchem Weg wir meine Lieblingsstelle vom Parkplatz aus am besten erreichen – und wie weit es bis dahin ist. Und gerade als ich mich damit abfinde, daß wir diesen Abbieger an der Schutzhütte heute nicht erreichen, steht sie plötzlich vor uns – und mit ihr das Herz des Wachholderwalds. Ich mache einen kleinen Hüpfer. Oder zwei oder drei. Und am Abend trinken wir einen köstlichen Gin auf diese schöne Stelle. Und den gesamten Heidschnuckenweg. Und auf das Laufen. Und auf uns.

Diese Orte, die mir so viel bedeuten, mit Menschen zu teilen, die mir noch viel mehr bedeuten, war ein ganz besonderes Erlebnis für mich. DANKE dafür, Laura und Carsten.

Auch wir sagen DANKE! Für die gemeinsame Reise, Läufe für die Seele, die unzähligen geteilten Momente, die uns niemand wieder nimmt. Uns hast du ANGESTECKT mit deiner LIEBE für diese Gegend. Wir kommen ganz sicher wieder! Wir melden uns!

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