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Tour de Tirol

Es wurde mal wieder Zeit für ein kleines und feines Laufabenteuer in den Bergen, einen dieser Wettbewerbe, bei denen ein ganzes Dorf drei Tage Kopf steht. Drei Tage, drei Rennen, 75km und 3.600 Höhenmeter - 2.000 Läufer die sich auf die unterschiedlichen Rennstrecke wagen und ganz Söll feiert mit.

Für mich ist es immer wieder ein kleines Highlight- schon der Moment, wenn ich bei der Anreise das erste Mal Berge sehe, erzeugt Gänsehaut bei mir, Vorfreude pur und mein Adrenalin-Spiegel steigt.

Und so bin ich auch dieses Mal voller Vorfreude, als ich mich Freitagmittags immer mehr meinem Ziel nähere, nur das es  grau und nass ist und irgendwie lässt sich kein Berg blicken.

Die Wiedersehensfreude mit lieben Lauffreunden ist trotzdem groß, die Pension klein und fein und ganz zentral, keine 500m vom Start. Perfekt!

Bei der Startnummern-Abholung gibt es einen kleinen Dämpfer - es ist nicht klar, ob der Kaisermarathon am Samstag überhaupt auf die Hohe Salve gehen kann - die Wetterlage ist schlecht, es liegt ordentlich Schnee und über Nacht ist bei Minus-Temperatur nochmals Neuschnee angesagt.  Für Anfang Oktober doch schon recht ungewöhnlich frostige Temperaturen.

Nähere Infos sollen beim Streckenbriefing am Abend erfolgen, also heißt es abwarten und wir machen uns für unser erstes Rennen, den Söllner Zehner am Abend fertig. Start und Ziel sind mitten im Dorf, ganz Söll scheint unterwegs zu sein und die Straßen sind voller Menschen - viele Läufer, emsige Helfer und Fans, die ihre Lieben anfeuern.

Die Strecke geht drei Runden ums Dorf, eher unspektakulär, Schotter und Asphalt bei Nieselregen. Gut das ich meine Regenjacke und Handschuhe dabei habe. Wir sind gut unterwegs, ein kleiner Sturz meiner Laufpartnerin lässt uns kurz zaudern, aber dann können wir weiterlaufen- und kommen nach 10km nass und zufrieden ins Ziel.

 

Schnell sind wir durchgefroren, warten aber immer noch auf die Infos zum nächsten Tag beim Streckenbriefing. Un 19:15h ist es endlich soweit- aber leider gibt es immer noch keinen konkreten Streckenverlauf für uns.

Die Prognosen sind mittelmäßig und die Rennleitung will am nächsten Morgen spontan entscheiden, ob die Bedingungen passen, und wir bis auf den Gipfel laufen dürfen. Die Alternative wäre der Rückweg ins Tal - auch gut 40km, aber insgeheim haben wir uns auf den Einlauf auf dem Gipfel eingestellt.

Also packen wir abends unsere Trailrucksäcke mit allem, was wir brauchen, Mütze und Handschuhe wieder im Gepäck und gehen dann zeitig ins Bett.

 

Der Wecker am Samstag klingelt früh - wir haben uns aufgrund der extremen Wetterbedingungen und des anspruchsvollen Höhenprofils für den Frühstart um 7 Uhr entschieden - so können wir die straffen Cut-Off-Zeiten deutlich entspannen und uns auf jede Rutschpartie am Berg einlassen.

Schon auf dem Weg zum Start herrschen wieder Aufregung und Begeisterung, unsere Laune ist gut und wir freuen uns auf die Königsdisziplin. Am Start bekommen wir nochmal letzte Instruktionen für die Strecke, es gab tatsächlich Neuschnee, aber die Prognose ist garnicht so schlecht. Der Himmel grau aber trocken und die Temperaturen sind nicht mehr so frisch wie am Vortag. Die Entscheidung für die Strecke soll bei km 27 fallen, wenn klar ist, ob die Sicht und die Streckenbeschaffenheit ausreichen. Okay, also heißt es weiter Daumen drücken und wir gehen gutgelaunt an den Start. 

 

Die ersten 10km sind relativ flach und schlängeln sich rund um Söll, bevor es dann konstant auf Forstwegen aufwärts Richtung Halbmarathonmarkierung geht. Wir sind gut drauf, laufen ganz entspannt und quatschen, Zeit für Fotostopps inklusive.

Bei km 23 überholen uns dann die ersten Spitzenläufer, die um 9h gestartet sind - Wahnsinn, wie sie an uns vorbei den Berg hochrennen - wir jubeln und und feuern sie an. Um uns herum wird es weiß, wir schrauben uns immer höher, die Sicht ist nicht weit und die Trails werden etwas rutschiger. Bei km 25 dann ein tolles Highlight- wir laufen über einen roten Teppich durch die Brandstadlalp, bei jedem Läufer applaudieren die Gästen und läuten mit Kuhglocken - Gänsehautfeeling pur.

Weiter geht es über die verschneiten Trails, die Umgebung wird immer schöner, aber auch kälter, wieder bin ich dankbar für Handschuhe und lange Laufsachen. Ungefähr bei km 27 überholt und die drittplatzierte Frau - eine zierliche und schmale Person in kurzen Laufsachen - wir feuern sie an und wechseln ganz kurz zwei drei Worte - sie friert und spurtet weiter.

Für uns wird es immer schöner, der Schnee verschluckt jedes Geräusch und wir genießen die Winterwelt. 

Dann ist es endlich soweit, bei der nächsten VP die Erlösung- die Streckenführung auf die Hohe Salve wurde freigegeben und wir freuen uns über den bevorstehenden Gipfelkurs.

Noch schnell gestärkt mit heißer Brühe und gesalzenen Kartoffel ( einfach großartig!!!) bekommen wir noch ein kleines Ständchen auf dem Akkordeon von einem jungen Helferlein und wir machen uns weiter auf den Weg.

Die Strecke führt nun erst wieder bergab ab über schmale Trails, zurück unter die Schneegrenze ins Grüne und wir können flüssig laufen, wohlwissend, dass wir jeden Meter, den wir nun runtertraben zum Ende wieder hochlaufen müssen.

Aber was soll’s, unsere Laune ist immer noch gut und die Vorfreude auf den verschneiten Gipfel trägt uns.

Schon aus der Ferne hören wir bei km 35 am Hexenwasser Gejubel und Getöse - hier ist die Mittelstation und viele Fans feuern uns Läufer an. Das tut gut - geht es doch ab jetzt nur noch bergauf, 700 Höhenmeter auf den letzten 7 Kilometern. Wer schon mal Marathon gelaufen ist, wie schwer die Beine bei Kilometer 35 sein können- und jetzt fängt für uns erst die richtige Anstrengung an. Wir arbeiten uns Meter für Meter vorwärts, immer höher, schnell sind wir wieder über der Schneegrenze in der weißen Winterpracht. Der Gipfel ist nebelverhangen, wir können ihn nicht sehen, aber von Zeit zu Zeit ist die Stimme des Ziel-Moderators zu hören, wir sind Luftlinie schon ganz nah dran, müssen nur noch ein paar Serpentinen um den Berg, so langsam zieht es sich… 

 

Dann endlich die letzte VP, wir sind bei km 40, jetzt geht es nochmal zum steilen Endspurt weiter hoch über die mittlerweile doch ziemlich rutschigen Trails - das letzte Stück ist zäh und zieht sich, gefühlt geht es im Schnee einen Schrift vor und zwei zurück. Das ist wieder einer der Momente, bei denen ich dankbar bin, dass ich nicht alleine laufe - wir motivieren und gegenseitig und beißen uns auf den letzten Metern durch. Der Schneemann an km 42 lässt uns strahlen und dann ist es geschafft - wir haben den Kaisermarathon mit 2.200 Höhenmetern gerockt und sind mehr als zufrieden und glücklich im Ziel 🥳 Ein tolles Gefühl, und auch wenn wir null Aussicht haben, ist der Zieleinlauf auf über 2.000 Metern etwas ganz besonderes.

Dann geht es mit der Gondel wieder runter - eine heiße Dusche später sitzen wir bei Pasta und Pizza zum Carboloading und feiern uns.

Beim Rückweg zur Pension merken wir die Beine, sie sind dann doch ganz schön schwer und müde…

Erschöpft fallen wir ins Bett - Wettkampf Nummer drei steht ja für Sonntag noch auf dem Plan, Start ist um 9h zum Pölventrail, 23 trailige Kilometer mit nochmal 1.300 Höhenmetern.

Als wir morgens aufwachen, sind die Beine immer noch schwer und einen kurzen Moment frage ich mich, ob ich jetzt wirklich nochmal an den Start möchte. Aber eben auch nur einen kurzen- gekniffen wird nicht, alle gute Dinge sind drei.

Und so wird der letzte Tag für uns die Krönung - nach Regen und Schnee haben wir heute Kaiserwetter, blauen Himmel und Sonne, traumhafte Ausblicke und gute Stimmung.

Um uns herum am Start herrscht reges Treiben - meterweise Apfelstrudel und belegte Brötchen auf langen Brettern werden schon zur Zielverpflegung transportiert, das macht Appetit 🤩

Die ersten Kilometer brauchen wir, um uns einzugrooven - der Marathon steckt uns in den Knochen, aber wir wissen auch um das Cut Off von 4:30h. Für uns ist es für den Moment schwer einzuschätzen, ob wir das einfach rocken können oder ob es zeitlich knapp wird.

Aber die Sonne auf der Haut macht gute Laune und beflügelt uns, und so kommen wir in unser Tempo, laufen locker und beständig, die Müdigkeit ist fast vergessen. Als wir bei km 12 mit Blaskapelle im Steinbruch gefeiert und begrüßt werden, wissen wir, dass wir gut in der Zeit liegen und uns keine Gedanken mehr machen müssen.

Wir fliegen weiter, die Trails sind traumhaft, es geht über Wiesen und durch Wälder, eine schöne Strecke. Am Gipfelkreuz des Juffinger Jöchl bei km 18 ist es schon fast geschafft ist - die letzten Kilometer rollen wir den Berg runter, bevor wir bei Musik und guter Stimmung in Söll mit deutlich unter 4 Stunden wieder ins Ziel laufen. Geschafft!

Wahnsinn - drei Rennen, drei Tage und ein tolles Erlebnis. Das Dorf feiert immer noch, es gleicht einer einzigen Partymeile und wir genießen die Zielverpflegung mit Apfelstrudel und Bier 🍻 

Mein Fazit - die Tour de Tirol ist ein tolles Etappen-Rennen, ein Dorffest mit toller Stimmung, die Einwohner und Helfer begleiten dieses Event mit so viel Freude und Herzlichkeit, das ist einfach klasse.

Als Trail-Liebhaberin bin ich insbesondere beim Pölventrail auf meine Kosten gekommen - die andern beiden Rennen sind eher auf breiteren Wegen und somit zwar ein tolles Erlebnis, aber streckentechnisch schlägt mein Herz mehr für andere Läufe.

Trotzdem möchte ich diese drei Tage nicht missen - ich habe die Stimmung vor Ort so genossen und das Wiedersehen mit den anderen Läufern sowieso - und ein Zieleinlauf auf einen schneebedeckten Gipfel auf 2.09 Metern kommt definitiv auf meine Besondere-Momente-Liste 😊

Danke Söll für die tolle Organisation und so viel Herzblut rund um dieses Event 🫶🏼

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Kommentare: 1
  • #1

    Steph (Freitag, 24 Januar 2025 08:50)

    Perfekt beschrieben! Ein tolles, unvergessliches Erlebnis bei wechselnden Bedingungen und mit viel Freude.

Ihr wollt wissen, wo wir laufen, wann ihr dabei sein könnt und was uns gerade beschäftigt? Dann tragt euch hier ein!