3.11.2019 – Daumen drücken!
Ich sitze in einer Ferienwohnung auf einem Bauernhof mitten im Vischgau und ich klicke mich durch die Anmeldung vom 23 km Trailrun, im Rahmen des Marathon du Mont-Blanc. Kurz darauf bekomme ich eine Bestätigungsmail und lasse mir den französischen Text schnell noch von Google übersetzen. Es steht nicht viel drin, neben meinen Daten noch das Datum, an dem die Glücklichen bekannt gegeben werden, die im Juni 2020 in Chamonix an den Start gehen dürfen.
Ich klappe also den Laptop wieder zu und widme mich unserem aktuellen Abenteuer. Mit meiner Frau Laura und unserer wenigen Wochen alten Tochter, soll es heute wieder raus in die Bergwelt gehen.
12.11.2019 – Gänsehaut
Es waren nur ein paar Tage, aber es hat sich länger angefühlt. Jetzt aber wurden die Listen der gezogenen Läufer veröffentlicht, dazu die Angabe, dass gleich mehrere tausende Interessenten ihr Los in den Topf geworfen haben.
Nachdem die Liste geöffnet ist, scrolle ich runter und finde mich nicht wieder. Ok, dann soll es wohl nicht sein, denke ich und dann fällt mir gleich ein, dass ich doch seit meiner Hochzeit unter "M" suchen muss. Tja, da muss ich mich wohl noch dran gewöhnen. Und zack, da stehe ich in der Liste. Korrekter Nachname und Vorname. Ich bekomme schlagartig Gänsehaut!
11.05.2020 – Tja, es war schon abzusehen
Am Abend blicke ich in mein Email Postfach und die Betreffzeile sagt eigentlich schon alles aus:
2020 Mont Blanc Marathon Cancellation
Ich öffne die Mail, die dieses Mal in Englisch verfasst worden ist und schnell ist klar, dass der Wettkampf komplett gestrichen wird. Allen angemeldeten Startern wird allerdings die Möglichkeit gegeben, sich einen Platz für die Anmeldung in 2021 zu sichern. Klar, ich freue mich natürlich nicht, aber angesichts der aktuellen Lage auch kein Einzelfall.
20.06.2022 - 25 Monate später
Nachdem der Marathon du Mont Blanc 2021 noch einmal kurzfristig um eine Woche verschoben wurde und ich noch ein letztes Mal meine Anmeldung auf 2022 schieben konnte, befinde ich mich nun wenige Tage vorher, irgendwo in der Nähe von Innsbruck. Noch eben haben wir unseren Kühlschrank im Van aufgefüllt und nun brauche ich Zeit!
Zeit, um einen klaren Gedanken zu finden. Wir sind zwar bereits auf den Weg nach Chamonix, aber ob ich wirklich dort hinfahren will, bin ich mir gerade nicht sicher. Schon in den letzten Tagen kamen mir immer wieder Zweifel. Macht es Sinn, mehrere Stunden im Auto zu verbringen? Für einen Wettkampf, für den ich nicht richtig trainiert bin? Ok, ich brauche mir absolut keine Gedanken um Zeitlimits zu machen, aber so richtig "heiß" auf einen Wettkampf bin ich nicht. Und Chamonix? Ist das wirklich so schön dort? Ich habe große Sorgen, dass meine Erwartungshaltung zu groß ist und ich am Ende enttäuscht sein könnte. Zudem haben wir uns immer noch nicht um einen Schlafplatz gekümmert. Es war mir wohl nicht wichtig genug. Nicht hinzufahren erscheint mir daher als logische Konsequenz. Und hier in Österreich, könnten wir ja auch noch ein paar schöne Tage mit der Familie in den Bergen verbringen.
Laura befüllt erst einmal ganz in Ruhe die Bialetti und ich schaue mir derweil ein Video vom Marathon du Mont-Blanc an. Der erhoffte Funke sprint aber auch jetzt nicht über. Normalerweise spüre ich ein Kribbeln im Bauch, angesichts der Bergkulisse, der Vorfreude und Anspannung der Atleten beim Start und bei Bildern von technischen Passagen und Zieleinläufen. Komisches Gefühl, jetzt so gar nichts zu spüren. Während wir den frischen Kaffee trinken, beschliessen wir jedoch dennoch zu fahren und befinden uns eine Viertelstunde später auf dem Weg nach Chamonix. Gutes Gefühl.
22.06.2022 - Ankunft
Die letzte Nacht verbrachten wir auf einer Wiese, direkt auf einem Bauernhof im Schweizer Jura. Da es verhangen und regnerisch war, frühstückten wir die selbst gebackenen Brötchen im Van. Dann packten wir unsere sieben Sachen, verkosteten noch das hausgemachte Eis und verabschieden uns persönlich bei unseren Gastgebern. Wir geben die Adresse des Campingplatzes bei Chamonix ein, den Laura gestern noch ausfindig gemacht hatte und der uns noch ein Plätzchen anbieten kann.
Nach einer Weile auf der Autobahn, geht es immer weiter in die Berge und als wir den letzen Pass überwunden haben, können wir schon die wilde Bergwelt vom Mont-Blanc sehen. Ja, wild ist es hier - und irgendwie anders, als in Österreich und Tirol. Wir sind sprachlos und geniessen die Fahrt über die schmalen Straßen und durch die kleinen Dörfer. Unser Weg führt bereits an der Innenstadt von Chamonix vorbei und wir verlieben uns, noch im Van sitzend, in diesen Ort. Und dann noch dieser Campingplatz. Ein Glückstreffer!?! Der Besitzer, ein gut gelaunter, alter Franzose empfängt uns freundlich und von unserem Stellplatz aus, haben wir einen perfekten Blick auf den Bossons Gletscher.
Ich ziehe mich schnell um und laufe noch eine kleine Runde. Wenig spektakulär auf einem Wanderweg Richtung Stadt. Chamonix aus der Nähe erleben und die Atmosphäre aufsaugen. Die Stadt kommt mir viel kleiner, als erwartet vor und ist voll von Menschen, die nach Bergsportlern aussehen. Die einen scheinen Läufer zu sein und andere, mit steigeisenfesten Bergstiefeln und Eispickel, waren heute wohl höher unterwegs. Irgendwann am späten Abend, schlafe ich friedlich ein. Zu fahren, war eine gute Entscheidung. Ich freue mich auf den nächsten Tag.
24.06.2022 - Anspannung steigt
Wir wachen bei besten Wetter auf und erfahren bald, dass der 90 km lange Lauf, aufgrund eines aufziehenden Unwetters abgesagt wurde. Wie krass, denke ich unter strahlend blauem Himmel. Was für eine Enttäuschung für die Teilnehmenden, die sich sicher lange auf dieses Ereignis vorbereitet und gefreut haben. Später, zieht es tatsächlich zu und als das Unwetter startet, bin ich froh, dass wir als Familie, schon am Vortag, den Bossons Gletscher erkundet haben. Keiner sollte bei diesem Wetter draußen sein.
Zum Nachmittag wird es jedoch besser und so mache ich mich mit Laura und Marla auf den Weg in die City. Ein wenig umschauen und dann zur Registrierung. So der Plan. Und hätte ich einmal die Ausschreibung richtig gelesen und direkt meinen Rucksack samt Pflichtausrüstung mitgenommen, dann hätte ich mir auch einen zweiten Anlauf erspart. Jetzt weiß ich zumindest, wie man mit Bahn und Bus in Chamonix unterwegs ist. Oh man, das hat mich echt gestresst! Gut, dass Laura die Ruhe bewahrt, auch wenn sie mich im Auto zur Registrierung kutschiert und dort eine Stunde, mit mitlerweile schlafendem Kind, auf einem Parkplatz ausharren muss. Am Ende des Tages habe ich meine Startnummer, etwas Leckeres gegessen und alle wichtigen Dinge für den Wettkampftag zurechtgelegt. Erschöpft und müde kuschele ich mich zu meinen Mädels auf die Schlaffläche des Vans.
25.06.2022 - Genuss pur
Der Wecker klingelt um 5:20 Uhr. Es ist verdammt kalt im Van und krieche aus dem Bett und stelle erst einmal die Heizung an. Stufe 5 von 5 muss es nun richten. Der Hefezopf schmeckt vorzüglich und der frische Kaffee sorgt, in Kombination mit der Heizung, für ein wohliges Gefühl. Laura und ich beschliessen, dass ich alleine zum Start fahre und wir Marla ausschlafen lassen. Kurz darauf verlasse ich den Wagen und laufe zur Bahnstation. Auf dem Weg höre ich gute Musik und ich geniesse den Moment. Ich bin voller Vorfreude und selbst als mir auffällt, dass ich meine Stöcke vergessen habe, nehme ich es einfach an.
Diese letzte Stunde vor dem Start ist für mich ganz besonders. So viele freundliche Menschen, solch' eine innerliche Ruhe vor dem Start und ich fühlte mich hier richtig. Verdammt richtig!
Der Startschuss fällt und es geht zügig los. Auch hier ganz ohne stressige Überholmanöver, aber mit hohem Tempo. Mir war klar, dass ich das nicht mitgehen wollte. Selbst wenn, dann wäre es nicht lange gut gegangen. Trotz allem verflogen die ersten zehn Kilometer wie im Flug und bei der ersten Verpflegung, griff ich nur nach diesen leckeren Orangen. Dann ging es immer steiler hoch und ich konnte weiterhin den Lauf geniessen. Der lange Downhill zeigte mir jedoch, dass meine Beine doch mehr Krafttraining gebrauchen könnten. Hier oben ist das Laufen Genuss pur, auch wenn ich irgendwann die zweite Verpflegung herbeisehne. Kühles Wasser ist eine Wohltat. Danach noch gute 5 km ins Ziel, aber alles andere als ein Endspurt. Die Steigung hat mich das Tempo drosseln lassen und so dauert es doch länger, als noch vor einer Stunde vermutet. Dann der Blick auf die Bergstation mit dem Ziel. Überall Menschen die einen anfeuern und für gute Stimmung sorgen. Ich sehen Laura, Marla und Happy. Sie laufen ein Stück mit und schicken mich schließlich in den Zielkanal. Angekommen und sehr glücklich lasse ich mir frisches Getränk in die Softflask füllen und nehme gerne das frisch gezapfte Bier an. Erfüllt und wie berauscht gehe ich zu meinen Liebsten, setzte mich ins Gras und lasse den Moment auf mich wirken. Jetzt bin ich so sehr dankbar darüber hierher gekommen und mitgelaufen zu sein. Es war ein bisschen, wie im Traum und mir wird klar, dass wir wiederkommen werden.
Der Wecker klingelt um 5:20 Uhr. Es ist verdammt kalt im Van und krieche aus dem Bett und stelle erst einmal die Heizung an. Stufe 5 von 5 muss es nun richten. Der Hefezopf schmeckt vorzüglich und der frische Kaffee sorgt, in Kombination mit der Heizung, für ein wohliges Gefühl. Laura und ich beschliessen, dass ich alleine zum Start fahre und wir Marla ausschlafen lassen. Kurz darauf verlasse ich den Wagen und laufe zur Bahnstation. Auf dem Weg höre ich gute Musik und ich geniesse den Moment. Ich bin voller Vorfreude und selbst als mir auffällt, dass ich meine Stöcke vergessen habe, nehme ich es einfach an.
Diese letzte Stunde vor dem Start ist für mich ganz besonders. So viele freundliche Menschen, solch' eine innerliche Ruhe vor dem Start und ich fühlte mich hier richtig. Verdammt richtig!
Der Startschuss fällt und es geht zügig los. Auch hier ganz ohne stressige Überholmanöver, aber mit hohem Tempo. Mir war klar, dass ich das nicht mitgehen wollte. Selbst wenn, dann wäre es nicht lange gut gegangen. Trotz allem verflogen die ersten zehn Kilometer wie im Flug und bei der ersten Verpflegung, griff ich nur nach diesen leckeren Orangen. Dann ging es immer steiler hoch und ich konnte weiterhin den Lauf geniessen. Der lange Downhill zeigte mir jedoch, dass meine Beine doch mehr Krafttraining gebrauchen könnten. Hier oben ist das Laufen Genuss pur, auch wenn ich irgendwann die zweite Verpflegung herbeisehne. Kühles Wasser ist eine Wohltat. Danach noch gute 5 km ins Ziel, aber alles andere als ein Endspurt. Die Steigung hat mich das Tempo drosseln lassen und so dauert es doch länger, als noch vor einer Stunde vermutet. Dann der Blick auf die Bergstation mit dem Ziel. Überall Menschen die einen anfeuern und für gute Stimmung sorgen. Ich sehen Laura, Marla und Happy. Sie laufen ein Stück mit und schicken mich schließlich in den Zielkanal. Angekommen und sehr glücklich lasse ich mir frisches Getränk in die Softflask füllen und nehme gerne das frisch gezapfte Bier an. Erfüllt und wie berauscht gehe ich zu meinen Liebsten, setzte mich ins Gras und lasse den Moment auf mich wirken. Jetzt bin ich so sehr dankbar darüber hierher gekommen und mitgelaufen zu sein. Es war ein bisschen, wie im Traum und mir wird klar, dass wir wiederkommen werden.
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